 Der Wachtberg bei Ottendorf
Bei der Ottendorfer Untermühle nimmt die von Süden kommende Roda den von Osten ihr zufließenden Tautendorfer Bach auf, um dann scharf nach Westen umzubiegen. Zwischen beiden Wasserläufen dehn sich eine breite Hochfläche aus, welche eine schmale Bergnase weit ins Tal vorschiebt. Das ist der Wachtberg. Wie er zu seinem Namen kam, ist unbekannt.
Wahrscheinlich durch seine vorgeschobene, die Täler beherrschende Lage. Er erhebt sich 85 m über die Talsohle, welche am Eingang Ottendorfs 240m beträgt.
Ein bequemer Weg führt von der Kleinebersdorfer Straße links abbiegend zur Höhe. Am Fuße des Berges rechts an der Straße ist der Ablauf einer sehr starken Quelle, die imstande wäre, mehrere Orte mit Wasser zu versorgen. Sie führt den Namen „Höhlerborn“ und wurde vor etwa 45 Jahren gefasst und in der Rohrleitung auf das Mühlenrad der Untermühle geleitet, um ein Einfrieren desselben an kalten Wintertagen zu verhindern.
Seit 1929 trägt die Bergkuppe den Jahngedenkstein. Er wurde von den sportbegeisterten Mitgliedern des damaligen Turnvereins in mühevoller Arbeit selbst errichtet (Gemeinschaftsarbeit), nachdem Gutsbesitzer Otto Riedel, ein Freund edler deutscher Turnkunst, den Platz hierzu Geschenk hatte.
Im Seeligsgrunde, einem Seitentälchen des Oelsnitzgrundes, wurden große Quadersteine härtester Art gebrochen und auf den Berg gebracht. Nach tagelanger anstrengender Arbeit wurden die behauenen Sandsteine zu einer quadratischen etwa drei Meter hohen abgestumpften Spitzsäule zusammengefügt. An der Westseite wurde eine länglich runde Marmortafel mit folgender Inschrift eingefügt:
F. L. JAHN
Zum 150. Geburtstage
v. T. V. Ottendorf
11.8.1928
 Die Grundsteinlegung fand am 11. 8. 1929, dem 151. Geburtstage Jahns, im Rahmen einer würdigen Gedenkfeier mit anschließendem Fackelzug statt, und schon am 18. August konnte der Gedenkstein eingeweiht werden. An die Weihe schloss sich auf der in der Rodaaue gelegenen großen Schafwiese ein wohlgelungenes Turnfest an. Volkstümliche Wettkämpfe, Freiübungen, Ballspiele und Kürübungen an den verschiedensten Turngeräten wechselten in bunter Folge miteinander ab. Den Schluss bildete die Siegerehrung durch Verleihung schlichter Eichenkränze.
Später wurde der Stein im Halbrund mit einer Buchen- und einer Weißdornhecke umgeben. So steht er nun fast 3 Jahrzehnte auf stolzer Bergeshöh als Mahnmal unsrer Jugend und ruft ihr zu: „Steht jederzeit treu und fest zur Heimat!"
Alle aber, die ihr nach Ottendorf kommt, steigt hinauf und erfreut euch an dem wunderbaren Rundblicke. Am Fuße des Berges hingelagert liegt Ottendorf. Wie Perlen einer langen Kette reihen sich in Ausdehnung von fast einen Kilometer Länge seine freundlichen Fachwerkhäuser aneinander und reichen am oberen Ende bis ins Warnsdorfer Tal hinein.
Auf halber Bergeshöhe reckt stolz die Kirche ihren 30 m hohen Turm empor, der mit einer besonders schönen Schweifkuppel und einem darüber stehenden schlanken Spitztürmchen gekrönt ist.
Am weitesten reicht der Blick nach Westen. Lippersdorf, Erdmannsdorf und die Tälermühle grüßen aus dem grünen Wiesentale herauf, bis ein bewaldeter Querriegel bei Waltersdorf die Sicht ins Tal hindert, aber darüber leuchten im hellen Sonnenschein die weißgetünchten Häuser von Obergneus. Dahinter erscheinen die Kalkberge der Saale-Ilmplatte mit dem Jägersberge bei Rodias und die Dürrengleinaer Höhe mit dem Dorfe Dürrengleina, und zwischen beiden lugt der spitze Kirchturm von Zimmritz hervor.
Einige hundert Meter östlich vom Jahnstein aus kann man bei ganz klarer Sicht sogar den Ettersberg bei Weimar erblicken. Nach Süden zu schweift das Auge über Kleinebersdorf und Renthendorf (Brehms Heimat) bis zur Wittchensteiner und Haßlaer Höhe kurz vor Triptis. Die Mitte des Bildes nimmt der Baderberg ein und auf ihm die Reste der einst so gewaltigen Ahornbäume („Ahörner"), die mit dem Leben der beiden Brehms so eng verknüpft sind. Auf der Hochfläche dahinter grüßen uns das Renthendorfer Vorwerk (zwei einzelne Gehöfte) und dicht dabei die durch die Bodenreform neu errichteten zwei Siedlungshäuser. Den Norden nehmen die großen Wälder des Holzlandes ein, und davor breiten sich fruchtbare Felder aus. Etwas weiter östlich vom Gedenkstein, hinter dem kleinen Nadelwäldchen, ist auch der Blick nach Nordosten frei. Aus dem Tale des Tautendorfer Baches schaut Eineborn mit' seinem schmucken Kirchturme neugierig zu uns heraus und darüber auf der Hochfläche die „Wachtelbüsche“, ein kleines Laubwäldchen mitten im Felde. Hier bildet die „Burg“ (das ist mit 361m der höchste Punkt) den Abschluss.Vier große italienische Pappeln kennzeichnen jene Stelle. Dicht davor führt die Autobahn vorbei. Da rollen in bunter Folge die verschiedensten Wagen und Motorräder non Nord nach Süd (Berlin – München) und umgekehrt. Am schönsten ist der Blick im Mai, wenn die blühenden Obstbäume wie große Blumensträuße die Landschaft beleben.
„Auf die Höhen müsst ihr steigen, in die freie Bergesluft
und den Blick herniederneigen in das Tal erfüllt vom Duft,
auf die friedlich stillen Hütten, auf des Baches Silberband,
und dann rufet laut inmitten: „Schön bist du, mein Vaterland!“
Emil John, Ottendorf in „Heimatblätter für den Kreis Stadtroda“ 1959
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