Rattelsdorf
Rattelsdorf befindet sich in einem kleinen Seitental welches sich von Weißbach aus Richtung Westen ausdehnt und an dessen Ende der kleine Tälerort gelegen ist. Der Name ist vermutlich dem vom althochdeutsch abstammenden Namen Ratolf abzuleiten. Angrenzend an den Ort befindet sich am Ende des Dorfes ein großes Waldgebiet, über das man bei Löbe (1891) lesen kann: „Ehedem gehörte es (Rattelsdorf) wegen seiner großen und schönen Waldungen zu den wohlhabenden Dörfern in den Thälern; auch jetzt noch besteht der Hauptgrundbesitz in Waldungen ...“
In Rattelsdorf wurden im Jahr 1687 genau 102 Einwohner gezählt, 1841 gab es 203 Einwohner und im Dezember 1885 lebten in 34 Häusern mit ebenso vielen Haushaltungen 179 Rattelsdorfer.
Auch Rattelsdorf stand ehemals unter der Gerichtsbarkeit der Herren von Meusebach und. Nachdem schon 1429 die Vettern Hans und Apetz von dem Kurfürsten Friedrich II. mit Gütern und Zinsen belehnt worden waren, kauften die Brüder Hans, Apel und Kunz 1543 von dem Kurfürsten Johann Friedrich u. a. das hiesige Dorf mit Fronen, Zinsen, Gerichten usw. und bleib bis 1753 in deren Besitz. Die hiesigen Bauern hatten, wenn auf dem Schlosse in Roda oder an anderen Amtsgebäuden etwas gebaut oder gebessert wurde, mit Pferden und mit der Hand zu frohnen und hatten auch bei den Wolfsjag den Frondienste zu leisten. Zur Parochie Karlsdorf gehörend, gibt Rattelsdorf zu allen Pfarr- und Schulbauten in Karlsdorf den dritten Teil.
Im Jahre 1741 brannte Mich. Köhlers Wohnhaus und 1744 das Brauhaus ab. Von einem großen Windbruch in den Wäldern um Rattelsdorf wird im Jahre 1827 berichtet. Einen Kriminalfall gab es im Jahre 1852, bei dem das Kind des Gutsbesitzers Ernst Fuchs am Genuss von Kuchen verstarb, da dieser mit Arsenik vergiftet war. Auch die anderen Familienmitglieder erkrankten, doch die gerichtliche Untersuchung brachte keine Ergebnisse.
Während die Rattelsdorfer mit den Weißbachern eine gemeinsame Feuerwehrspritze nutzten, wurde 1865 eine neue Feuerwehrspritze für 400 Taler angeschafft.
Am 21. April 1863 brannte das Gehöft des Leinewebers Joh. Mich. Köhler, am 14. September 1881 die Scheunen der zwei Frankeschen Güter mit den Ernte- und Holzvorräten und am 16. November 1888 die Scheune des Gutsbesitzers Fuchs und das Gehöft des Gutsbesitzers Vogel ab.
Die Kirche in Rattelsdorf liegt in der Mitte des Dorfes, umgeben von einem Rasenplatz, welcher früher auch als Friedhof diente. Im Jahre 1681 wurde sie bis auf die Grundmauern abgetragen und neu erbaut. Zu den Baukosten erhielt die Gemeinde von dem Konsistorium 20 Mfl. (Meißner Gulden) und der damalige Kirchenpatron Christian Albrecht von Meusebach ließ 5 Rodaer Scheffel Korn unter die Einwohner austeilten, „weil sie beitragen oder zu zahlen, auch mit Frohen und Arbeiten viel versäumen müssen“.
Ihre gegenwärtige Gestalt erhielt die Kirche im Jahre 1835, wo sie abermals bis auf die Mauern abgetragen werden musste. Die Einweihung des neu hergestellten Gotteshauses fand am 2. Weihnachtsfeiertag 1835 statt. Jedoch musste 1879 schon wieder repariert werden, da die Sandsteine an Salpeterfraß litten. 1883 wurde das Ziegeldach der Kirche durch ein Schieferdach ersetzt. 
Die im Jahre 1788 für 200 Thlr. Angekaufte Orgel wurde 1881 von Kopp in Bürgel repariert. Von den 2 kleinen Glocken, welche im Turm hängen, zersprang die größere im Jahre 1703 und wurde umgegossen. Die kleiner Glocke aus dem 14. Jahrhundert stammende und welche mit Medaillons und nicht zu entziffernden Schriftzeichen versehen war, zersprang 1888 beim Trauerläuten nach Kaiser Friedrichs Tode. Der Begräbnisplatz, welcher sich früher um die Kirche befand, wurde 1836 auf die sogenannte heilige Hofstatt oder Horst außerhalb des Dorfes verlegt und 1862 mit einem Staket in Seinsäulen eingefriedet.
Die neben der Kirche stehende Linde wurde 1785 von Joh. Mich. Förster gepflanzt und feierte somit im Jahre 2005 ihren 220. Geburtstag.
Im Turmknopf der Rattelsdorfer Kirche befinden sich Dokumente, die von Rattelsdorf weitere geschichtliche Aussagen über viele Jahre hinweg bewahrt haben. So wurde im Jahr 1924 die Situation der Einwohner geschildert: „Die auf den unglückseligen Weltkrieg mit Revolutionen folgende Geldentwertung ging soweit, dass der Wert einer Mark im Frieden im September 1923 auf eine Billion Papiermark fiel. ... Die Zeiten sind ernst und schwer.“
Und in dem Schriftstück, welches nach der Turm- und Kirchendachreparatur 1968 in den Kirchenknopf hinterlegt wurde, heißt es: „ So war bis jetzt dieses Jahr 1968 auch für die Kirchgemeinde Rattelsdorf recht bewegt und aufregend, zumal das auch durch andere Dinge allgemeinerer Natur unterstrichen wird. Sei es nun durch das anhaltende Regenwetter, das in diesem Jahr viele Pläne zunichte machte - z.Zt. sind nur ca. 70 % der Getreideernte geborgen, obwohl die LPG seit August diesen Jahres einen eigenen Mähdrescher besitzt – und mit großen Ernteverlusten ist zu rechnen.“
Nach den Plänen der Behörden in den Zeiten der DDR sollte Rattelsdorf eines Tages ganz von der Landkarte verschwinden. Es gab keine Baugenehmigungen für Neubauten, bzw. es wurde den Bauwilligen durch Auflagen die Erlangung einer Baugenehmigung erschwert. Rattelsdorf sollte nach und nach aussterben und keine Neuansiedlungen mehr erfolgen. So ist es nicht verwunderlich, dass im Jahr 1986 der erste Neubau seit den 1880er Jahren war. Hinzu kam dann auch noch der Umstand, dass die jungen Leute in diesen Zeiten fast alle in Jena bei Zeiss oder in Hermsdorf in den Keramischen Werken arbeiteten. Immer mehr Gehöfte standen leer oder wurden nur noch von den „Alten“ bewohnt, da die jungen Leute in Richtung Arbeitsplatz oder Ehepartner gezogen waren.
Zum Glück hat sich dieser Trend in den 1980er Jahren und erst Recht nach der Wende wieder umgekehrt. Viele ehemalige Rattelsdorfer Bürger haben zurückgefunden ins Elternhaus und dieses übernommen. Es war nun keine wertlose Last mehr, ein altes Fachwerkhaus zu besitzen. Eigentum war nun wieder etwas Wert, wenn auch nicht ohne etwas zu kosten.
Doch es ist besonders in den Jahren 1993 bis 1996 viel an den Häusern saniert und erneuert worden. Und auch danach ließ die „Bautätigkeit“ bis heute kaum nach und nichts erinnert heute mehr an ein Rattelsdorf, das dem Verfall preisgegeben war.
Auch seitens der Gemeinde gab es nach der Wende, wie in den anderen Orten auch, viele Investitionsmaßnehmen. Beginnend 1991 bis 1994 mit dem Neubau der Trinkwasserleitung, die wegen der hohen Nitratbelastung nötig war, über eine erneute Kirchensanierung und zahlreichen kleineren Straßenbaumaßnahmen wurde viel getan, um das Leben in dem kleinen Seitentälerdorf attraktiver zu machen. Es wurden im Rahmen der Dorferneuerung alle Seitenstraßen befestigt, der Feuerlöschteich erhielt eine neue Umzäunung, auf dem Rondell in der Mitte des Dorfes wurde eine neue Linde gepflanzt, viele neugeschaffene Grünanlagen bepflanzt und zwei Dorfbrunnen angelegt, die mit Brauchwasser aus der alten Quelle gespeist werden.
Nach so vielen Verschönerungsmaßnahmen waren die vorderen Platzierungen im Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ keine Überraschung. Ratt elsdorf belegte 1994 und 1995 den 2. Platz und 1996 den 4. Platz bei diesem Gemeindewettstreit.
Doch wie schon erwähnt ruhten sich die Rattelsdorfer auf diesen Lorbeeren nicht aus, sondern planten schon bald die nächsten großen Vorhaben. Da es in der Gemeinde keine öffentlichen Räumlichkeiten und nur ein unzureichendes Feuerwehrhaus gab, wurde der Neubau eines Feuerwehrhauses mit öffentlichen Räumlichkeiten beschlossen.
Für das kleine Rattelsdorf war dies aufgrund ihres relativ geringen Haushaltsvolumens eine gewaltige finanzielle Herausforderung. Doch die Gemeinde konnte, neben Fördermitteln des Landes, auf die Einsatzbereitschaft ihrer Bürger bauen. Es wurden insgesamt über 2300 Stunden an Eigenleistungen durch die Feuerwehrkameraden und ihre Helfer aus Rattelsdorf geleistet, so dass die Baumaßnahme im Mai 2004 abgeschlossen werden konnte. Während die Rohbau- und Stahlbetonarbeiten, die Fliesenarbeiten und die Elektroinstallation von Firmen ausgeführt wurden, realisierten die Rattelsdorfer die restlichen Gewerke in Eigenregie. Dabei half besonders die Alters- und Ehrenabteilung, da sich viele Helfer aus beruflichen Gründen „nur“ an den Wochenenden beteiligen konnten. Auf das Ergebnis können die Rattelsdorfer wirklich stolz sein. Zeigt dieses Beispiel doch ebenso, dass in einer kleinen Gemeinden auch große Dinge erreicht werden können. Selbst wenn diese schon einmal zum Tode verurteilt war.
T.S. (Dez. 2006)
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