Kleinbockedra - kleinste selbstverwaltete Gemeinde in Thüringen
Der Ort Kleinbockedra liegt etwa 9 km westlich von Stadtroda und 6 km südöstlich von der Stadtgrenze Jena, inmitten eines hügeligen Landes. Die historische Siedlungsform entspricht der eines Angerdorfes. Die exponierte Lage resultiert aus der Bebauung auf einer kleinen Anhöhe im Nordosten, mit dem Gemeindehaus und dem Dorfplatz als Mittelpunkt. Kleinbockedra zählt derzeit 42 Einwohner und ist somit die kleinste selbst verwaltete Gemeinde in Thüringen.
Kleinbockedra liegt 11° östlicher Länge und auf ca. 50° nördlicher Breite. Die Flur der Gemeinde umfasst eine Fläche von 284 ha 63 a 41m².
Über die Hälfte der Kleinbockedraer Flur ist mit Wald bedeckt, welcher größtenteils in Privatbesitz ist. Der geringere Teil ist Staatsforst. Das Acker- und Grünland wird von der Agrargenossenschaft „Geisenhain“ e. G. im Wesentlichen in Pacht bewirtschaftet. Des Weiteren gibt es Quellmoore und typische Streuobstwiesen in der Flur, die im äußersten Nordwesten der VG Hügelland/Täler liegend an die Fluren von Großbockedra, Magersdorf, Obergneus, Oelknitz und Jägersdorf grenzt.
Verkehrsanbindung:
Die Gemeinde Kleinbockedra ist über die A4, Abfahrt Jena-Göschwitz, in Maua weiter nach Sulza, Großbockedra nach etwa 5 km zu erreichen. Für den Schülerverkehr bestehen täglich, für den öffentlichen Nahverkehr wöchentlich Busverbindungen. Die nächste Bahnstation ist Jena-Göschwitz.
Geschichte zum Ort: Die Ersterwähnung „Wyncigen Bugkedrow“ = Kleinbockedra war im Jahre 1395. Die erste urkundliche Erwähnung im Zusammenhang mit Henricus de Buckdra, eines Vasallen der Grafen von Orlamünde.
Slawische Ableitung: das Dorf der Buchenschäler, germanische Ableitung: von Buche und Baum. Im 14. Jahrhundert sind die von Bockedra Besitzer eines Rittergutes. Am Ende des Jahrhunderts treten die Ritter von Bockedra besonders als Raubritter in Erscheinung.
Ihre Raubzüge führen Sie nach Neustadt/Orla, Triptis, Ziegenrück bis Adorf im Vogtland.
Im 15. Jahrhundert stirbt das Geschlecht von Bockedra aus. Der Besitz am Rittergut, des „Oberen Dorfes“ und des Vorwerkes Bockedra (Kleinbockedra) geht an Conrad von Lichtenhain zu Gleina. Es werden Erbzinsen an das Amt Leuchtenburg entrichtet.
Im 16. Jahrhundert prägt die Familie Puster zu Drackendorf die Macht des Rittergutes aus.
Das Dorf war sehr arm. Die Schule und die Kirche besuchte man in Großbockedra. Im 18. Jahrhundert wird das Rittergut Freigut, es wird von der Landesregierung versteigert. Teile des Freigutes werden auch an Bauern des Dorfes verkauft. Dieser Verkauf ermöglichte den Bauern und Dörflern ihre Wirtschaften zu entwickeln, förderten die Viehwirtschaft, die Bautätigkeit, Handwerk, Handel und Kultur. Abgeschafft wird die noch auf der Landbevölkerung lastende Fronarbeit. Neben der Landwirtschaft sind um die Jahrhundertwende zum 19. Jahrhundert auch verschiedene Handwerksbetriebe angesiedelt. Ein Brauhaus bestand unterhalb des Ortes am Bachtal. Das heutige Gemeindehaus war die sogenannte Tanzloge. Der Plantanz fand im jetzigen Bereich der Bühne statt, der Letzte dieser Art war im Jahre 1938. Mitten auf dem Dorfanger stand das Feuerwehrhaus. Bis in die 30er Jahre unseres Jahrhunderts bestand im Haus Nr. 10 eine Gastwirtschaft.
Im ausgehenden 19. Jahrhundert gab es im ländlichen Raum meist noch traditionelle Großfamilien mit zwei, drei, manchmal sogar vier Generationen unter einem Dach, die gemeinsam mit Angestellten auf dem Hof lebten. Die Familie als Gemeinschaft von Vater, Mutter, Kindern und Großeltern hatte Bedeutung aber auch die Hausgemeinschaft, das Zusammenleben von Familie und „Hausgenossen“, also Knechten, Mägden und oft auch unverheirateten Verwandten.
Die Entwicklung des Dorfes im 20. Jahrhundert wurde geprägt durch die beiden Weltkriege (1914-1918 und 1939-1945), der längsten und tiefsten Weltwirtschaftskrise (1929-1932/33) und der Teilung Deutschlands.
Die weitere Darstellung der geschichtlichen Entwicklung Kleinbockedras erfolgt unter dem Gesichtspunkten des Aufbaus der Infrastruktur der Gemeinde.
Die Einwohner selbst leisteten bauliche Dorfentwicklungsarbeit, sowohl gegen geringfügige Bezahlung aus der Gemeindekasse, als auch durch umfassende freiwillige Arbeit.
Strassen: Die Instandhaltung und der Ausbau der Strassen bestimmten durchgängig die Arbeit der Gemeinde aber auch der ansässigen Altgemeinde. Jahr für Jahr wurden die Dorfbewohner dazu herangezogen und ein erheblicher Teil der Haushaltsmittel der Gemeinde dafür eingesetzt.
Besonders in den Jahren 1921/22, 1925/26 und 1933, sowie in den 50er und 60er Jahren wurde an der Straßeninstandhaltung gewirkt.
Von 1968 bis 1971 erfolgte die Asphaltierung der Zufahrtsstraßen und der Ortsstraßen sowie des Dorfplatzes.
Wasserwirtschaft: 1902-1905 bauten die Wasserleitungsgesellschaft das Netz mit Anschluss aller Anwesen. 1933 übernahm die Gemeinde die Anlagen.
Heute wird der Trinkwasserbehälter als 2. Löschwasserreserve genutzt.
Die Abwässer werden über hauseigene Kleinkläranlagen gesammelt und geklärt, die Entleerung erfolgt durch den Wasserwirtschaftsbetrieb. Die Überläufe sind an den örtlichen Sammler angeschlossen.
Feuerlöschteich: Den Dorfteich gibt es heute leider nicht mehr. Er wurde verschüttet. Aufwendig und kostenintensiv wurde eine Zisterne errichtet.
Elektrifizierung: Die Elektrifizierung des Dorfes erfolgte um 1910. Zu dieser Zeit wurde auch mit dem Aufbau der Dorfbeleuchtung begonnen. Eine Erneuerung erfolgte in den 50er Jahren.
Busverbindung: Ab 1960 verkehrt zweimal wöchentlich ein Bus nach Jena und Stadtroda sowie der tägliche Berufsverkehr per Bus nach Jena. Der Busberufsverkehr wurde kurz nach der Wende eingestellt. Weiterhin verkehren täglich mehrere Schulbusse nach Stadtroda und Tröbnitz.
Gaststätten: Bis in die 30er Jahre stand den Einwohnern und Gästen des Ortes die Gastwirtschaft im Haus Nr. 10 für das dörfliche Zusammenleben zur Verfügung.
Die im Hause Nr.:4 im Jahre 1950 eröffnete Gaststätte schloss bereits 1956.
Bevölkerungsentwicklung: Die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts existierenden Bauernwirtschaften recht unterschiedlicher Größen und die Dörfleranwesen bilden die Grundlage stabiler Familienexistenzen bis nach dem 2. Weltkrieg. Danach begann eine Zeitspanne starker Reduzierung der Bevölkerung, verbunden mit einem teilweisen Verfall der dörflichen Bausubstanz und der dörflichen Kultur.1842 116 Einwohner
- 1880 87 Einwohner
- 1885 92 Einwohner
- 1948 125 Einwohner
- 1953 125 Einwohner
- 1994 46 Einwohner
- 1998 54 Einwohner
- 2003 43 Einwohner
Gebäude-Siedlungs-Raumstruktur:
Die Anlage der Gehöfte um den Dorfplatz, vereinzelt auch in anderen Bereichen, lässt ein eindeutiges Schema erkennen. Bei den Drei- und Vierseitenhöfen steht ein Gebäude taufseitig zum Anger ausgerichtet. Nebengebäude stehen ein- oder beidseitig längs dazu. Auf der gegenüberliegenden Hofseite schließt ein großes Quergebäude den Hofraum ab. Die Zufahrt erfolgt durch das dem Dorfplatz zugewandte Torhaus.
Die Bebauung zeigt in vorbildlicher Weise die Anpassung der Gebäude an die natürlichen Gegebenheiten des Siedlungsstandortes. Die zum Dorfanger ausgerichteten Dachfirste haben ungefähr die gleiche Höhe, sodass die Oberkante der Gebäude parallel zum natürlich ansteigenden Gelände ausgerichtet ist. Diese Gebäude verlaufen in ihrer Längsausdehnung parallel zu den Höhenschichtlinien. Die Erbauer wussten, dass man vieles spart, wenn man die Häuser an die rechte Stelle setzt, dort wo keine Abendnebel und kein Wind waren. Alte Dörfer nutzen in jedem Falle das Gelände, jede Minute Wintersonne. Gegen Wind und Wetter stehen Obstbaumwiesen, Holunderbüsche und lange Dächer. Die geschlossenen Seiten von Schuppen und Scheunen brechen den Wind und halten den Frost ab.
Die alten Bauernhäuser sind die Summe Jahrhunderte langer Erfahrungen.
Wenn sie nicht in unkundige Hände gerieten, sind ernsthafte Bauschäden bis heute ausgeblieben. Was sich verbraucht hatte, konnte der Bauer meist selbst ersetzen.
Während zu DDR-Zeiten von der Kleinbockedraer Flur eine Weitsicht bis zu dem damaligen Prüffeld der Keramischen Werke Hermsdorf möglich war, zeugt in der heutigen Zeit der immer stärker werdende nächtliche Lichterglanz der Großstadt Jena von der stadtnahen Lage der kleinsten VG-Gemeinde.
Die Betriebe des ehemaligen Kombinates Carl Zeiss Jena waren bis vor der Wende die Arbeitsstätte der meisten Berufstätigen Kleinbockedraer. Einige Einwohner arbeiteten auch in der damaligen LPG, deren Küche sich im heutigen Gemeindehaus befand. Hier wurde für die Bäuerinnen und Bauern des Landwirtschaftsbetriebes LPG „Hügelland“ Geisenhain das Mittagessen gekocht und ausgegeben.
Nach der Wende konzentrierte sich die Gemeinde auf die Erhaltung und Sanierung ihres Gemeindehauses. Die Trockenlegung der Außenmauern und die Erneuerung der Dielung im Saal und die teilweise Erneuerung der Ausstattung stellten für die kleine Gemeinde einen großen finanziellen Kraftakt dar. Daneben konnten im Rahmen der Dorferneuerung noch das Feuerwehrgerätehaus erneuert werden und ein kleiner Speilplatz errichtet werden.
Seit einigen Jahren wird in Kleinbockedra wieder eine Maifeier veranstaltet, nun wieder zu einer kleinen Tradition geworden ist und den kulturellen Höhepunkt im Gemeindeleben darstellt.
In naher Zukunft soll die „Altgemeinde“ von Kleinbockedra wiedergegründet werden. Die Eigentümergemeinschaft, die über 12 Hektar Wald, Wiesen, Äcker und viele Wege besitzt soll dann wieder gemeinsam über die Nutzung des gemeinsamen Besitzes beraten und beschließen. Besonders für den ländlichen Wegebau will sich die Gemeinde in nächster Zeit stark machen, damit man die schöne Umgebung besser erreichen kann.
Monika Kempf-Mehlhorn, Bürgermeisterin der Gemeinde Kleinbockedra (März 2007)
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