
„Hansi vom Märchenborn“ – Beruf: Freiberuflicher Märchenerzähler
Wenn wir heute von einem Märchenerzähler sprechen, so ist dies gelegentlich auch eine Umschreibung für einen Menschen, der gern (leere) Versprechungen macht. Oft werden derartige Leute etwas ungläubig angesehen. So erging es auch dem Trockenborner Einwohner Johannes Wunderlich, als er im Jahre 1998 dem zuständigen Sachbearbeiter des Arbeitsamtes erzählte, er wolle selbständiger Märchenerzähler werden. „Die haben mich ziemlich schräg beäugt“, schmunzelt Herr Wunderlich, „aber ich habe trotzdem eine Anschubfinanzierung zur Geschäftsgründung erhalten.“ Mittlerweile kann er als „Hansi vom Märchenborn“, so sein Künstlername, auf 10 Jahre als Freiberuflicher Märchenerzähler zurückblicken.
Begonnen hatte Herrn Wunderlichs künstlerische Laufbahn jedoch schon viel früher. Der im Jahre 1953 geborene und aus Pößneck stammende Johannes Wunderlich gründete schon mit 18 Jahren seine eigene Band. Dieser folgen Einsätze in anderen Rockmusikformationen, wobei die bekannteste Formation die „Rhytmix“ sein dürften, bei denen „Hansi“ Querflöte und Gitarre spielte und außerdem seinen Gesang beisteuerte.
Zur Musik kam dann in den 1980er Jahren das Theaterspiel in dem Studententheater „Die Treppe“. Anfang der 1990er Jahre wird Johannes Wunderlich Mitbegründer der Jenaer Studentenkneipe „Immergrün“.
Alle diesen künstlerischen Aktivitäten unternimmt Herr Wunderlich zu dieser Zeit aber noch nebenberuflich, denn nach seinem Physikstudium an der Universität Jena arbeitete er von 1976 bis 1987 im VEB Carl Zeiss Jena in der Forschung.
Im Jahr 1987 wechselte Johannes Wunderlich an die Universität Jena zurück, diesmal als Wissenschaftler, der sich mit der Erforschung optischer Klebstoffe beschäftigten sollte.
Sein Vertrag lief 1997 aus und nun galt es, sich nach einer neuen Beschäftigung umzusehen. Angeregt von einem Zeitungsartikel über einen Märchenerzähler zur Weihnachtszeit, reifte die Idee, selbst Märchenerzähler zu werden. „Das könnte es sein, dachte ich“, erinnert sich Herr Wunderlich, „Märchen erzählen als Symbiose von Musik, Theater und Geschichtenerzählen vor einem gespannten Publikum.“
Seinen ersten Auftritt in der Selbständigkeit hatte Hansi vom Märchenborn 1998 beim Brauereifest der Rosenbrauerei Pößneck und so märchenhaft es auch klingen mag, er „feiert“ an gleicher Stelle mit einem Auftritt zum Brauereifest am zweiten Augustwochenende diesen Jahres sein „Firmenjubiläum“.
In den Jahren trat der Märchenerzähler in Thüringen und darüber hinaus rund 700 mal auf. Neben Auftritten in Schulen und Kindergärten, Bibliotheken zu Kindergeburtstagen und Stadt- oder Dorffesten, gibt es auch regelmäßige Termine in Reha-Kliniken. Manchmal wird der Märchenerzähler aus Trockenborn auch zu Geburtstagsjubiläen, Silberhochzeiten und anderen Familienfeierlichkeiten gebucht, denn auch für die erwachsenen Freunde eines gut erzählten Märchens hält er ein Programm bereit.
Zu seinem rund einstündigen Programm zählt immer ein traditionelles Märchen, wie etwa von den Gebrüdern Grimm, ein russisches oder vietnamesisches Märchen und ein selbsterdachtes Märchen. Zum Märchen aus Vietnam spielt Hansi vom Märchenborn auf einem originalen landestypischen Instrument, der Danbao. Auch die anderen Märchen werden mit Musik und Liedern untermalt und begleitet.
Die Abenteuer seiner selbsterdachten Märchenhelden, dem Igel Karlchen und dessen Freund Häschen, gibt es mittlerweile auf 4 CDs. Ihre Märchen entstanden im Laufe der Zeit als Märchenerzähler, da sich Hansi vom Märchenborn auch selbst Märchen ausdenkt. Die Kinder können die Märchen einzeln hören oder auch mit den Geschichten mitwachsen, denn das nächste Märchen ist immer eine Art Fortsetzung
Da der Name Märchenborn eine Symbiose aus Märchen und Trockenborn ist, ist es nur logisch, dass Herrn Wunderlichs Wohnhaus in Trockenborn, das er 1979 gekauft hat, mit in sein Märchenkonzept einbezogen wird. Den Märchenfreunden der näheren Umgebung oder auch Gästen der, nur einen kleinen Fußmarsch entfernten Herberge am Wald, steht das Märchenzimmer zur Verfügung. Hier finden bis zu 30 Zuhörer Platz zu einer Märchenstunde im Trockenborner Märchenzimmer. Unter der Telefonnummer 036428 / 61493 kann man eine Märchenstunde vereinbaren und unter www.maerchenborn.de nähere Informationen erhalten.
Da es sich beim Märchenerzählen meist um ein „Stoßgeschäft“ in der Weihnachtszeit und zum Schuljahresende hin handelt, hat sich Hansi Wunderlich noch um weitere Projekte bemüht, um die „Saure-Gurken-Zeit“ zu überbrücken. Dabei hilft ihm die Arbeit bei einem Theaterprojekt in einem Neustädter Kindergarten. Dort arbeitet er als „Theaterlehrer“ und lernt mit den Kindern in der Frühförderung das Märchenspielen, um ihre Entwicklung zu fördern. Ein Folgeprojekt dazu ist gerade in der Beantragung, wobei diesmal auch die Eltern der Kinder mit einbezogen werden sollen.
Des weiteren ist Hansi vom Märchenborn Mitglied der Europäischen Märchengesellschaft, unter deren Dach ca. 2000 Dichter, Wissenschaftler und Märchenerzähler hauptsächlich aus Deutschland, Österreich und der Schweiz organisiert sind, die sich der Erforschung und der Schöpfung von Märchen zu widmen.
Als Vorstandsmitglied arbeitet Herr Wunderlich im Verein „Lesezeichen e.V.“ mit, der sich der Förderung der Literatur und der Kunst verschrieben hat und der durch die Organisation des Literaturfestivals auf Burg Ranis bekannt ist.
Doch auch in seiner Heimatgemeinde ist Hansi Wunderlich nicht nur wegen seines außergewöhnlichen Berufes bekannt. Er ist der Vorsitzende des Gemeindekirchenrates und Gründungsmitglied der Redaktion des Gemeindeboten der Gemeinde Trockenborn-Wolfersdorf. Für den Gemeindeboten gestaltet Hansi Wunderlich die Kinder- und Freizeitseite, auf der immer eine neue Geschichte von seinen Helden Karlchen und Häschen zu lesen ist. Als nächstes Projekt, so verrät Herr Wunderlich zum Schluss, ist ein Kinderbuch mit diesen Geschichten geplant. Wir können uns also sicher sein, bald ein Buch von Hansi vom Märchenborn lesen oder vorlesen zu können.
T. S. Januar 2007
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