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Verwaltungsgemeinschaft Hügelland-Täler

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Die Linden der Jubelfreud und der Traurigkeit in Lippersdorf

Zum Kirchweihfest des Jahres 1938 wurde zwischen den Linden über dem südlichen Eingang des Friedhofes eine alte schlichte Tafel erneuert, wo nunmehr in Goldbuchstaben zu lesen ist

Linde der Jubelfreud Linde der Traurigkeit,
beides in einem Jahr hat uns betroffen 1830

lindenschild


Über den Sinn dieser Inschrift schreibt Pfarrer Zimmer in seiner Chronik, es sei bekannt, daß 1830 Tälerbauern auf eigene Faust eine große Jagd gemacht und sich an des Herzogs zu sehr überhandnehmenden Wild vergriffen haben.

Der große Schmaus hinterher sei die Jubelfreud gewesen, und dass dann Georg Friedrich Fuchs und Schumann, Bauer und Oßwald, auch ein Karl Stellenberger von Erdmannsdorf auf kurze Zeit eingesperrt wurden, das sei die Traurigkeit.

Nun, das ist die landläufige Ansicht, welche die Ereignisse gern auf einen einfachen Nenner bringt. Dieser Ansicht hat sich auch die Gemeinde Lippersdorf neuerdings offiziell angeschlossen, als sie sich ihr neues Gemeindewappen gab, das ein Wildschwein zwischen zwei Linden darstellt.

Zunächst muss die Rolle des Georg Friedrich Fuchs klargestellt werden. Er gehört nicht zu den Gemaßregelten, sondern er hat nach alter Überlieferung die Bäume selbst gepflanzt, er war ja ein Heimatdichter und soll auch öfter zu festlichen Gelegenheiten Bäume gepflanzt haben.

Über den wirklichen Sinn der Inschrift erhalten wir Klarheit durch' einen Blick in die Ereignisse des Jahres 1830. Jeder weiß, dass dieses Jahr für die evangelischen Lande ein Jubeljahr gewesen ist, ähnlich wie 1817. Es wurde nämlich allgemein die 300-jährige Wiederkehr des Tages der Übergabe der Augsburger Konfession an Kaiser und Reich festlich begangen, weil es doch die maßgebende evangelische Bekenntnisschrift ist.

Die Jubelfreud, die unsere Linde zürn Ausdruck bringt, ist ohne Zweifel die Jubelfeier gewesen, die in der Gemeinde Lippersdorf drei Tage lang veranstaltet wurde. Dass diese

Ereignis auch in der Familienchronik des Böttchermeisters Johann Christoph Oßwald (f 21. 5. 1S74) ausführlich beschrieben ist, bestätigt uns diese Vermutung, auch wenn von jenem das Pflanzen der Bäume nicht erwähnt ist. Sein Bericht ist erfüllt von der Jubelfreud dieser Tage. Er schreibt:Linden Dez 2005

„Dieses Jahr wurde auch das Augsburger Confessionsfest gefeiert drei Tage, welches fiel den 25. Juni 1830, war auch drei Tage schönes Wetter. es war zuvor und danach immer Regenwetter. Der große Tag wurde sehr feierlich begangen. Vor- und nachmittags Gottesdienst, den ändern Tag war bloß ein Kinderfest, wobei die drei Gemeinden zusammenkamen. Die Schulkinder mussten sich alle an einem Ort versammeln, die Mädchen hatten alle Aufgesetze (Kränze). Um 10 Uhr ging der Gottesdienst an, da kam nun allemal eine ganze Gemeinde mit Musik gezogen, dann schlössen sich die drei Gemeinden aneinander. Die Musik ging voran, dann die Schulmädchen, dann die Erwachsenen.

Vor der Kirchentür war eine große Ehrenpforte gebaut. Die ganze Kirchgasse war mit Tannen geziert und in der Kirche auch. Es war aber kein Examen mit den Kindern, sondern der Pfarrer las von der Kanzel von Luthern und seinen Gehilfen und wie es in Augsburg zugegangen war. Der Sonntag (3. Tag) wurde auch feierlich begangen. Tanz wurde nicht erlaubt. Es war der andere Tag nicht allerwegens gefeiert worden, weil an diesem Tag die bürgerlichen Geschäfte erlaubt waren.

Es waren auch drei Fahnenjunker bei dem Kirchzuge, der hiesige war Johann Georg Vogel, ein lediger Bursche aus Haus Nr. 2, der Erdmannsdorfer Friedrich Franke aus Haus Nr. l, der Weißbacher Friedrich Weitehase, der Schneider. Die Schultheißen waren Johann Michael Koch allhier, in Erdmannsdorf Gottlieb Stellenberger und in Weißbach Michael Müller. Der damalige Pfarrer hieß Christian Friedrich Armack, der Schulmeister Wilhelm Pilling. Und im Jahr 1730 und 1030 soll es ebenso gefeiert worden sein."

Diese Jubelfeier ist der wahre Ursprung für die Linde der Jubelfreud. Nicht ganz so einfach liegt die Sache bei der Linde der Traurigkeit. Auch sie hat im Hintergrund die große Geschichte, denn das Jahr 1S30 war eines der großen Revolutionsjahre des vergangenen Jahrhunderts. Wir besitzen auch für dieses Ereignis aus der Feder des gleichen Johann Christoph Oßwald einen ungeschminkten Bericht. Was konnte man daran öffentlich als Traurigkeit bezeichnen? Traurig war wohl, dass die Revolution in den Anfängen stecken blieb und nicht die Ergebnisse zeitigte, die sich mancher erhofft hatte, Aber hätte man das in Plakatform über die Friedhofstür schreiben dürfen? Nun, jeder konnte das Wort Traurigkeit auch beziehen auf die Tatsache, dass sich Menschen haben hinreißen lassen gegen ihr angestammtes Herrscherhaus sich aufzulehnen. So bleibt das Wort ,,Traurigkeit" wohl je nach dem Standpunkt des Lesers mit Absicht schillernd.

Aber die Lippersdorfer waren noch schlauer, sie legten in das Wort noch eine lokal-persönliche Erinnerung an das Missgeschick einiger prominenter Gemeindeglieder. Aber folgen wir nun wieder unserem Berichterstatter, der selber mit in die Angelegenheit- verwickelt war:

,,Auch muss ich noch anmerken die Revolution 1830. Der Anfang war in Paris, da von Bürgern und Soldaten auf die 6000 Mann geblieben waren, hernach in Holland, als in der Stadt Brüssel, da auch auf beiden Seiten 6000 Mann sollen geblieben sein. Hernach war es beinah in der ganzen Welt. Auch in unserem Lande in Altenburg hat die Bürgerschaft sehr gehaust. Dann schickte der Herzog seinen Prinzen in die Holzländer, uns zu beruhigen, aber die Untertanen waren sehr aufgebracht wider die Fleisch- und Mahlsteuer und über das Wildbret.

Da gingen 13 Dorfschaften beinahe Mann für Mann nach Kahla zu dem Prinzen, um Antwort zu erhalten. Das geschah den 17. September IS30. Es hatte auch gute Folgen. Er versprach, das Wildbret und die Mahlsteuer sollten ganz wegkommen. Das wurde auch so.

Den 1. Oktober kam die Mahlsteuer weg und von Oktober bis Neujahr sollen auf dem Revier Klosterlausnitz zwölfhundert Stück Wild geschossen worden sein. Es war aber die Rede, es wäre kaum die Hälfte weggeschossen. Der Weg nach Kahla hatte doch etwas Gutes geschaffen und es wurde auch nicht darüber gerichtet, dass diese Menschen in Kahla gewesen waren.

Aber zwei Bauern aus dem Kahlaischen Amte brachten uns aufs frische in Aufruhr, dass die Fleischsteuer auch vollends wegmüsse. Aus Lippersdorf gingen Friedrich Schumann und Karl Völker nach Naschhausen, die Bauern wurden aber von einem Offizier aus Altenburg zerstreut. Das geschah den 11. Oktober. Den 12. Oktober wurden wir ins Amt gefordert, Schumann, Völker, Gottfried Bauer und ich, Christian Oßwald (war damals 39 Jahre alt und hatte Frau und 7 Kinder), wurden aber ohne Verhör ins Gefängnis gesteckt. Es wurde aber ein jeder allein gesteckt und durften zu uns weder Frau noch Kinder. Das Essen wurde uns zu einem Loche reingesteckt.

Ich kam dadurch mit in Verdacht, weil mein Name mit unter einer Currende (Umlaufschreiben) als Heimbürge geschrieben war, welchen ich aber nicht selbst geschrieben hatte. Dies war nur Arrest. Weil aber die Untersuchung vorüber war, wurde uns ein Reskript (Verfügung) publiziert, das brachte Schumann 4 Jahre Zuchthaus, Völkern 2 Jahre, Bauern l Jahr und mir ein halb Jahr. Aber auf Bitten und Flehen wurde es gemindert, wir wurden nur mit Kriminalgefängnis bestraft.

Unser Schulze (Koch) und der Erdmannsdorfer wurden abgesetzt und jeder mit 14 Tagen Gefängnis bestraft. Von ändern Dörfern waren auch welche eingezogen, zusammen 20 Mann. Zu den Amtskosten musste einer wie der andere bezahlen: 7 Taler und 14 Groschen. Es war aber mit dem Vorbehalt, dass wenn wir wieder Unruhe anstiften, uns noch die Zuchthausstrafe bevorstünde."

So haben die Ereignisse des Weltgeschehens ihre Ausläufer gehabt bis in unser kleines Dorf. Die Linde der Jubelfreud zur Linken und die Linde der Traurigkeit zur Rechten, sind zusammen ein Denkmal, das die Lippersdorfer dem Freiheitswillen gesetzt haben. Das Augsburger Bekenntnis hatte einst Stand halten müssen vor Kaiser, Fürsten und Gewaltigen, und der Kahlaer Revolutionsmarsch der Tälerbauern ist nicht minder ein Zeichen einer freiheitlichen und standhaften Gesinnung.

Aus der „Chronik für Lippersdorf“ von Pfarrer Friedrich Dies (1956)